Samstag, 3. Oktober 2015

Ärmelkonstruktion ca 1880

Ich habe ja früher immer nach den Truly-Victorian Schnitte geschneider und die sind ja auch für Anfänger sehr gut erklärt. Ich verwende die Rockschnitte auch immer noch als Basisschnitt und drapiere dann nach meinen eigenen Vorstellungen. Was allerdings immer wieder ärgert sind diese unsäglichen, für die Zeit untypischen, Ärmelschnitte. Die Ärmelkugel und Weite entspricht eher der Edwardianischen Zeit oder zumindest eher den Ärmeln nach 1890. Der Unterärmel in der Breite am Armgelenk ist, wenn richtig konstruiert, nicht genauso breit wie der obere Ärmel. Bis jetzt habe ich die Ärmel von Truly Victorian immer an mir bzw. der Puppe korriert. Da das immer viel Nerven kostet, hab ich mir vorgenommen mich mehr mit der Ärmelkonstruktion zu beschäftigen. Nach dem durchsuchen meiner antiken Bücher habe ich einige Anleitungen zur Ärmelkonstruktion gefunden. Allerdings weichen die etwas voneinander ab.

Je nachdem nach welchem System der Ärmel konstuiert wird, braucht man andere Maße. Ich habe es mit der Beschreibung aus  "Die Anfertigung der Damengarderobe" von Lipperheide versucht, hatte da aber so meine Probleme mit dem Ergebnis. Die Beugung war mir zu stark und auch sonst machte der Ärmel einen sehr unkomfortablen Eindruck, aber vielleicht habe ich auch einen Fehler gemacht.

Sehr schön verständlich und komfortabel finde ich die Anleitung aus "Praktisches Lehrbuch für das Schnittzeichnen zur Kleideranfertigung"von Arminie Pursch (1904). Zum Schnittzeichnen verwende verwende ich karriertes Schnittpapier, ein Kurvenlineal, ein langes Lineas und einen Filzstift. Vorher müssen noch die notwendigen Maße genommen werden. Meine seht ihr hier in der Tabelle:

MaßecmErläuterung
Obere Armweite33Um die stärkste Stelle des Oberarmes herum
Äußere Länge des Ärmels59Bei leicht gebogenen Arm, von der Rückenbreite an der Außenseites des Armes entlang über den Ellebogen bis zum Handgelenk
Ellenbogenweite28Bei stark gebogenen Arm rundherum um den Ellenbogen
Handweite21Um die breitgelegte Hand vom Daumen über die Knöchel.

Schritt 1:
Der obere und der untere Ärmel werden auf einem Bogen konstruiert. Wir beginnen damit einen Rahmen zu Zeichnen der in der Breite Obere Armweite + 4 cm beträgt und in der Länge Äußere Armlänge + 4 cm (die 4 cm sind für die Armkugel). Bei mir hat der Rahmen also eine Breite von 37 cm und eine Länge von 63 cm.

Schritt 2:
Wir bestimmen welche Seite des Rahmens unsere äußere Seite und welche die innere Seite unseres Ärmels ist (ist eigentlich egal solange ihr die nicht verwechselt, bei mir ist die Äußere Seite links und die innere Seite rechts).
Von der äußeren Seite nach unten messen wir 4 cm ab, und von der gegenüberliegenden, inneren Seite tragen wir 9 cm nach unten ab. Wir verbinden diese beiden Punkte mit einer Hilfslinie.

Schritt 3:
Von Punkt 9 zu Punkt 4 zieht man eine nach oben gebogene Linie welche die obere Rahmenlinie ein kurzes Stück berührt. Das ist dann Eure Ärmelkugel (ein Kurvenlineal ist hier hilfreich).

Schritt 4:
An der unteren Rahmenlinie misst man waagerecht von der äußeren Seite 12 cm ab. An der Ärmel-Innenseite sind das 5 cm nach oben. Diese beiden Punkte werden wieder mit einer Linie verbunden. Dort wird später noch die Handweite abgemessen.

Bei mir sieht das dann so aus:
Ärmelkonstruktion
Schritt 5:
Jetzt kommt der interessante Teil. Um den Stellpunkt für den Ellenbogen zu erhalten, faltet ihr den Papierbogen, auf welchem der Schnitt gezeichnet wird, so, dass Punkt 12 und Punkt 4 aufeinandertreffen. Die Bruchkange zieht ihr scharf glatt, faltet den Bogen auseinader und zeichnet die so entstanden Buchfalte mit Lineal nach.

Schritt 6:
Von dem außeren Punkt der Bruchlinien wird nun eine Linie zu Punkt 12 gezogen. Zusammen mit der Rahmenlinie habt ihr nun die Linie des äußeren Ärmels.

Schritt 7:
Wir kommen nun zur Außenlinie des inneren Ärmels. Dafür werden vom Anfang der Kugel (der äußere Punkt 4) waagerecht 10 cm abgemessen. An der Bruchlinie des Ellenboges tragt ihr von der äußeren Kante 5 cm ab und an der Ärmellinie, wieder außen beginnend, meßt ihr 4 cm ab. Die Punkte verbindet ihr miteinander und erhaltet die äußere Linie für den inneren Ärmel.

Schritt 8:
Die innere Linie des oberen und des inneren Ärmels sind gleich. Der obere Punkt entspricht Punkt 9. Die anderen beiden Punkte werden wie folgt berechnet: Zieht von der der Ellenbogenweite 5 cm ab. Das Ergebnis teilt ihr nochmal durch 2 und tragt diesen Wert an der Außenlinie des inneren Ärmel entlang der Bruchlinie ab (bei mir sind das (28-5)/2 = 11,5). Von der Handweite zieht ihr 4 cm ab, teilt das Ergebnis ebenfalls durch 2 und tragt diesen Wert ab der Äußeren Ärmelkante des inneren Ärmels ab, um die erfolgerliche untere Ärmelweite zu ermitteln.  Diese drei Punkte verbindet ihr ebenfalls mit einer Linie.

Schritt 9:
Für den Ausschnitt des Unterärmels zieht von Punkt 10 zu Punkt 9 eine nach unten geschwungene Linie. Ich hab dann noch am Ellenbogen die Kanten abgerundet.

Das Ergebnis sieht bei mir nun so aus:
Fertige Ärmelkonstruktion
Da ich wahrscheinlich gemusterten Stoff (Karos) für die Ärmel nehmen werden, habe ich jeden Ärmel auf einem doppelt gefalteten Bogen Schnittpapier aufgemalt und ausgeschnitten. Damit kann ich sicherstellen, dass ich die Schnitte wirklich sauber auf die Muster lege.

Ikea Ditte nehme ich als Probierstoff und siehe da, ich bin ganz zufrieden, wenn auch die Ärmelkugel doch noch etwas höher sein könnte:
Ärmelprobe
Hier ist übrigens mal ein Vergleich von einem Truly Victorian Ärmelschnitt auf den konstruierten Schnitt gelegt, da sieht die Unterschiede nochmal. Bis auf die Ärmel finde ich Truly Victorian aber immer noch sehr gut und leicht auf die eigene Figur anzupassen.
Truly Victorian vrs. Schnittkonstruktion



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